Heilpraktikerin zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt


 
Nach 64 Verhandlungstagen wurde gegen zwei Angeklagte das Urteil gesprochen.

(ir) Mit der Urteilsverkündung am gestrigen endete der sogenannte „Heilpraktikerprozess“, der mit 64 Verhandlungstagen das bis dato längste Strafverfahren in der Geschichte des Landgerichts Ingolstadt darstellt.



Die 1. Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt verurteilte die angeklagte Heilpraktikerin wegen Betrugs in elf Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Inverkehrbringen nicht zugelassener Fertigarzneimittel, des unerlaubten Inverkehrbringens nicht zugelassener Fertigarzneimittel, der Beihilfe zum unerlaubten Inverkehrbringen nicht zugelassener Fertigarzneimittel in fünf Fällen und des Missbrauchs von Titeln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren.



Den angeklagten Unternehmer verurteilte es wegen Betruges in 14 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Inverkehrbringen nicht zugelassener Fertigarzneimittel unter Einbeziehung einer weiteren Strafe, ausgesprochen durch das Amtsgericht Ingolstadt, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und zu einer weiteren Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Die Kammer ordnete zudem gegen die Angeklagten und gegen weitere Beteiligte die Einziehung eines Geldbetrages in fünfstelliger Höhe an.



Der Vorsitzende der 1. Strafkammer Konrad Kliegl stellte zu Beginn der Urteilsbegründung klar, dass es in diesem Prozess weder um das Heilpraktikerwesen an sich, noch um die Behandlung von Patienten nach heilpraktischen Methoden gehe, sondern um Betrug. Er betonte weiter, dass der Grundsatz der Therapiefreiheit einer Heilpraktikerin keinen Freibrief gewähre.

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Nach Überzeugung der Kammer haben die Angeklagten schwer an Krebs erkrankte oder an Autoimmunerkrankung leidende Menschen betrogen, indem sie diesen versprachen, durch ein von den Angeklagten vertriebenes Mittel geheilt werden zu können. Tatsächlich sei dieses Präparat aber, so die Kammer, für das die Angeklagten zuletzt etwa 5.000 Euro pro Packung verlangten, nicht dazu geeignet gewesen, schwere Erkrankungen zu heilen.

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Ein medizinischer Sachverständiger habe insoweit festgestellt, dass es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit des Präparats gebe und dass keine einzige wissenschaftliche Studie durchgeführt worden sei. Während dieser Umstand dem angeklagten Unternehmer von Anfang an bekannt gewesen sei, habe die derzeit nicht praktizierende Heilpraktikerin jedenfalls seit dem Jahr 2018 nach einer erfolglosen Behandlung einer Patientin hiervon Kenntnis gehabt.

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Die Patientin sei schließlich im Jahr 2018 ihrem Krebsleiden erlegen. Der angeklagte Unternehmer habe das Präparat von einem Dritthersteller ausdrücklich zur nicht medizinischen Verwendung erworben. Um die Täuschung gegenüber den Patienten zu vertiefen, habe die angeklagte Heilpraktikerin einen Professorentitel geführt, wozu sie nicht berechtigt gewesen sei. Der Titel sei ihr von einer kirchlichen Institution in den USA verliehen worden, die der angeklagte Unternehmer gegründet habe, und bei der es möglich gewesen sei, gegen Bezahlung Titel und sogar eine Heiligsprechung zu erwerben.

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Das Verfahren war durch einen Fernsehbericht in Gang gekommen sei. Eine Reporterin hatte verdeckte Aufnahmen von einem Verkaufsgespräch bei der angeklagten Heilpraktikerin gemacht, in dem diese das oben genannte Mittel anpries. Das Vorgehen der angeklagten Heilpraktikerin, die Reporterin in der Praxis in Schrobenhausen „auszupendeln“, obwohl es gar nicht um deren Erkrankung ging, bezeichnete der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl als blanke Scharlatanerie.



Der vorsitzende Richter kritisierte auch Teile der Verteidigung, die mit zahlreichen Anträgen den Prozess verschleppt hätten und ihre prozessualen Rechte bisweilen missbräuchlich ausgeübt hätten.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht den Umstand, dass die angeklagte Heilpraktikerin – anders als der angeklagte Unternehmer – nicht vorbestraft sei. Zu Lasten der Angeklagten wertete die Kammer insbesondere das Verhalten der Angeklagten, die die Not der schwerkranken Opfer in schäbiger Weise ausgenutzt hätten.

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Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab gestern eingelegt werden müsste.